Typisch männlich, typisch weiblich – gibt’s das überhaupt noch?

 

Ach, die Debatten sind lang, die Argumente vielschichtig und die Diskussion hitzig: Geht es um Gender, um Sexismus, Feminismus, das Patriarchat, Genus, Sexualität und mehr, dann wird es schnell unübersichtlich. Ein jeder beschimpft sich nur noch, Frauen werfen Männern vor, letztere hätten doch keine Ahnung, Männer werfen Frauen vor, das sei alles nicht so schlimm, Linguisten beschimpfen Linguisten, dass es LinguistInnen, Linguisten und Linguistinnen, Lingust*innen oder Linguistx heißen müsste, Mütter sagen Vätern, der Sohnemann könnte doch auch ein rosa Kleid tragen, wenn er es wollte, und Väter weisen Mütter zurecht, Junior würde ja schließlich freiwillig fußballern und mit der Werkbank spielen.

 

Es ist schon verzwickt, das mit den Geschlechtern. Und der Einfachheit halber habe ich bisher auch nur von zweien geredet, denn (die sozial sehr sinnvolle) Inklusion von Trans- und Intersexuell*innen macht das Ganze noch komplexer. Deswegen wundert es mich kaum, dass bei einem derart verworrenen und komplexen Thema, doch immer wieder in die einfachen zu verstehenden Vorurteilsschubladen gegriffen wird – schließlich will und kann nicht ein jeder sich ständig mit dem „Big Picture“ befassen; denn um das große Ganze zu verstehen, muss man auch die kleinen Verästelungen kennen, die zum großen Baum der Erkenntnis führen.

 

Wickeln wir also das Ganze mal etwas von hinten auf. Ich will hierzu meine Meinung zu ein paar ganz bestimmten Gender/Geschlechts-Thematiken einfach mal kundtun, indem ich meine Gedanken frei wandern lasse, um schließlich die Frage aus dem Titel dieses Gedankenganges zu beantworten: Gibt es überhaupt heute noch etwas, das man als „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ bezeichnen könnte?

 

Geschlecht, Genus, Grammatik… Gemeine Grausamkeit?

 

In den letzten 15-20 Jahren meinte die deutsche Sprachkritik zu zeigen, dass beim Benutzen des grammatisch männlichen Genus als Verallgemeinerung einer personellen Tätigkeit oder bei einer Vielzahl von Personen ein Großteil der Frauen (also biologisch weibliche Personen) unterschlagen oder falsch repräsentiert werden. Jeder kennt das Phänomen und jeder hat wohl die eine oder andere starke Meinung dazu. Zu sagen „Madame, le bourgmestre“, oder „Angelina Jolie, the actor“ oder „Die Lehrer des Kant-Gymnasiums unterrichten 220 Schüler“ ist vielen nicht mehr zeitgemäß.

 

Doch tut sich sowohl die deutsche als mittlerweile auch die französische Sprache („bienvenue à toutes et à tous“) schwer, das Sprachspielchen, das aus einem soziokulturellen Hintergrund heraus betrieben wird, in die Tat umzusetzen – seit gut 20 Jahren! Und das, obwohl wohl die allermeisten der Kritik zustimmen würden: Dass Frauen sprachlich etwas zu kurz kommen. Meines Erachtens liegen die Probleme auf der rein linguistischen Seite: Wir haben schlicht und einfach noch keine gute Lösung für das Problem gefunden, denn die soziale Einsicht ist zumindest bei den Akademikern mittlerweile größtenteils angekommen. Die Probleme habe ich wie folgt identifiziert:

 

  1. Das Femininum (z.B. „Studentinnen“) ist stets rein weiblich, das Maskulinum (z.B. „Studenten“) kann sowohl als auch sein. Überdies macht die deutsche Sprache Männer sogar stärker unsichtbar als Frauen: Wenn es heißt „Zwei Studenten warten vor der Tür“, dann kann es sich entweder um zwei männliche, zwei weibliche oder je einen männlichen und einen weiblichen Studenten handeln. Beim Satz „Zwei Studentinnen warten vor der Tür“ ist der Fall eindeutig. Will man ausdrücken, dass es sich um zwei männliche Studenten handelt, so muss dies extra gesagt werden. Die ausdrückliche Nennung des Femininums (z.B. in den typisch gewordenen Doppel-Formulierungen à la „Studentinnen und Studenten“) sorgt also eher für Durcheinander und in bestimmten Kontexten sogar für Konfusion. Ich habe dazu sogar eine sehr persönliche Erfahrung. Eines meiner absoluten Lieblingsbücher der philosophischen Ästhetik ist eine Einführung vom Maria E. Reicher[1]. Hierin benutzt sie in scheinbar willkürlicher Art mal das Maskulinum und mal das Femininum, wenn sie von Künstlern, Chemikerinnen, Wissenschaftlern, Physikerinnen, Studenten oder Abiturientinnen spricht. Beim Lesen war ich teils verwirrt: Geht es jetzt nur um die weiblichen Chemiker, welche dieses Phänomen herausgefunden hatten?! Ich erkannte: Das explizite Femininum zur Inklusion der Frauen sorgt für Probleme.
  2. Eine weitere Problematik der Doppel-Formulierung: Sie diskriminiert unterschwellig intersexuelle Personen (Pseudohermaphroditismus) oder Personen, die sich nicht zuordnen wollen, da diese sich nicht in einem grammatischen Genus wiederfinden können. Sicherlich sollte man aus offensichtlichen Gründen auch darauf verzichten, intersexuelle, transsexuelle oder Personen ohne direkte Zuordnung mit dem Neutrum („es“) anzureden.
  3. Weiterhin: Die Doppel-Formulierung verlängert und verkompliziert unnötigerweise die Sprache und führt vor allem in der erneuten Abkürzung zu holprigem Sprachstil (wer die Nase rümpft, wenn junge Leute das Akronym „lol“ plötzlich aussprechen, wird auch keinen Gefallen an Pädagogen haben, welche plötzlich wortwörtlich von „SuS“ – Schülerinnen und Schüler – reden). Dabei hat Sprache sowieso ganz natürlich den Drang dazu, „einfacher“ zu werden. Nicht ohne Grund stehen wir dem Verschwinden vom Genitiv unaufhaltsam gegenüber: Er wird schlichtweg nicht gebraucht (Luxemburgisch hat praktisch keinen Genitiv mehr). Eine gesprochene Sprache wird ganz natürlich einfacher, simpler, wortärmer (Warum ist wohl heute fast keine zentraleuropäische Sprache mehr so komplex wie Latein?) – da scheint es absolut kontraintuitiv, durch eine Doppelformulierung die Sprache wieder länger und komplizierter zu machen.
  4. Weiterhin erscheint es mir zumindest oftmals willkürlich, bei welchen Wörtern das „Gendern“ angewandt wird. Warum spricht man nicht von einer Räuberinnenbande, Schwarzfahrerinnen, Salzstreuerinnen oder von Bäuerinnenhöfen?
  5. Die Partizip Präsens-Form, z.B. „Lernende“ oder „Studierende“ scheint ebenfalls aus offensichtlichen Gründen irreführend; das Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR) hat sich dazu klar positioniert: „An Universitäten strebt man nach Erkenntnis, und zwar auf wissenschaftliche Weise. Wer dies tut, heißt Student. Grammatikalisch hat sich dieses Substantiv aus dem lateinischen Partizip Präsens studens, im Plural studentes entwickelt. […] Nahezu jeder Hochschul-Funktionär benutzt indes das politisch korrekte „Studierende” - ohne auch nur kurz nachzudenken, welcher Blödsinn damit verbunden ist. Funktionären geht es nicht mehr um die Tätigkeit des Strebens (nach Erkenntnis und Bildung). Ihnen geht es (nur) um den Status. Nur drückt das Wort „Studierender” gerade keinen Status aus (das ist das Eingeschriebensein, der Immatrikuliertenstatus) - sondern die Tätigkeit im Partizip Präsens. Weil genus und sexus nicht auseinandergehalten werden können (weswegen der Student nicht für beide Geschlechter reichen soll) und die Doppelung „Student und Studentin” zu mühsam erscheint, wird also das Partizip zur Statusbezeichnung. Und es wird Sprache verhunzt - weil nicht mehr dasjenige gesagt werden darf, was der Sprecher ausdrücken will. […] Wie lächerlich der Begriff «Studierende» ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: «Die Bevölkerung beweint die sterbenden Studierenden.»“[2]

Was also tun? Nun… Das ist schwer zu sagen. Ich persönlich halte aus genannten Gründen bisher keine der vorgeschlagenen Varianten für sinnvoll. Auch beim vielen eigenen Nachdenken über die Problematik ist mir kein besserer Vorschlag eingefallen. Ich habe mich an Futurama erinnert; hier gab es mal eine Folge, in der ein geschlechtsumfassendes Alien die Welt eroberte und im Englischen nur noch als „shclee“ (also weder „he“ noch „she“) angesprochen werde wollte. Aber dies war eher ein humoristischer, denn ein realistischer Vorschlag.

 

Ich selbst frage mich, wann überhaupt die Idee zustande kam, dass dem Geschlecht ein grammatisches Genus entspricht. Jaja, ist schon klar… schließlich heißt es ja auch DER Mann und DER Junge, genauso wie DIE Frau und…. DAS Mädchen?! Hier sieht man schon, wie verwirrend das Ganze sehr schnell werden kann. Sicherlich ist die Verniedlichung (das „chen“) bei der Magd daran schuld, dass aus einem Femininum im Deutschen ein Neutrum wurde. Aber warum ist es DIE Möhre, DIE Bierdose, DIE Eichel, aber DER Pfirsich, DER Busen, DER Lipgloss? Scheint genus vielleicht doch nicht mit sexus zusammenzuhängen?

 

Sowieso würden die Angelsachsen lauthals über uns lachen, wenn sie auch nur annähernd verstünden, über was hier philosophiert wird. Denen würde in der Alltagssprache manchmal ein wenig genus guttun, denn die Verwirrung bei Phrasen wie „I went to the movies with my friend“, „I really like my new doctor“ oder „the oscar for best actor“ ist groß.

 

Ich tendiere also hier wie folgt: Schwamm drüber. Bleiben wir dabei, wie es immer war. Es macht das Ganze einfacher, teils sogar korrekter und weniger diskriminierend. Zumindest solange, bis eine sinnvollere Alternative auftaucht.

 

 

 

 



[1] Reicher, M. E. (2005). Einführung in die philosophische Ästhetik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

 

[2] Rieble, V. (2012). Studenten statt Studierende. Abgerufen am 21. August 2021 von Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht: https://www.zaar.uni-muenchen.de/studium/studenteninfo/student_prof/student/index.html

 

Frauenquote und Unterstützung von Frauen in Beruf, Politik und Alltag

 

Hier kann ich klar sagen: Frauen müssen unterstützt werden. Definitiv. Es gibt zahlreiche Gründe, warum Frauen in der Politik, im Beruf oder in anderen Machtpositionen im Vergleich zur Bevölkerung noch immer nicht adäquat repräsentiert sind.

 

Zum einen herrscht immer noch latenter Sexismus in unserer Gesellschaft. Wer dies verneint, hat seine Augen noch nicht weit genug aufgemacht. Man kann ein ganz einfaches Experiment machen, um dies schnell zu erkennen. Unsere allseits so geliebten (gehassten) sozialen Medien bieten reichlich Stoff. Man nehme einen x-beliebigen Post eines weiblichen Politikers zu einem x-beliebigen Thema in einem x-beliebigen sozialen Medium. Man wird immer (und ich behaupte IMMER) einen Kommentar finden (insofern nicht gelöscht), der mal anonym, mal mit vollem Namen und akkuratem Profilfoto, rein auf das Geschlecht jener Politikerin anspielt und sie deswegen diffamiert. Dazu zählen natürlich auch jedwede Beschimpfungen wie „Nutte“, „Hure“, „Bitch“ oder Kommentare, die darauf abzielen, jene Frau bräuchte einfach mal richtigen Geschlechtsverkehr, damit sie klar denke (d.h., sie muss erst gefügig gemacht werden). Und das ist unabhängig vom Inhalt: Stimmt man ihr nicht zu, so werden solche Kommentare kommen (und das leider sowohl von Männern als auch von Frauen). Gegenexperiment: Passiert das bei auch bei einem männlichen Politiker? Nein, natürlich nicht. Kann man(n) sich überhaupt einen solchen negativen Kommentar ersinnen, der rein darauf abzielt, dass der Verfasser eines Beitrags ein Mann ist? Wie sähe das aus? Allein die Bezeichnungen für Prostituierte sind klassischerweise männlich. Worte wie Casanova oder Playboy sind teilweise gar positiv konnotiert. „Das ist wieder typisch Mann!“ ist wohl die schlimmste aller vorstellbaren Beleidigungen – und das ganz ohne Inhalt. Mit Worten sexuell angegriffen werden Männer also praktisch nicht.

 

Zum anderen gibt es Frauen, die sich aufgrund dieses Sexismus weniger trauen, aktiv zu werden. Denn natürlich ist der Sexismus auch im Real Life vorhanden – nicht nur in den (a)sozialen Medien. Wer da Fuß fassen will, braucht ein dickes Fell. Frauen müssen sich also sowohl mit den üblichen Problemen als auch noch zusätzlich mit Sexismus befassen, weswegen es klar ersichtlich ist, dass weniger Frauen dies schaffen oder wollen.

 

 

Natürlich kann es immer noch zahlreiche weitere Gründe geben. Man muss auch bestimmte Dinge biologisch erklären – auch wenn man sie politisch kompensieren könnte (wenn man denn endlich wollte…!). Frauen werden schwanger, Männer nicht, Punkt. Frauen schütten (statistisch) deutlich mehr Hormone aus, wenn sie Mütter werden, als Männer, die Väter werden, bilden deshalb auch (meist) eine stärkere Bindung zu ihren Kleinkindern auf, als es Väter tun. Das führt dazu, dass Arbeitgeber natürlich eine Frau „in gebärfähigem Alter“ nicht so gerne einstellen, als einen Mann, denn dieser bekommt keinen Schwangerschaftsurlaub und wird höchstwahrscheinlich auch später, wenn das Kind auf der Welt ist, weniger oft fehlen, da sich tendenziell die Mutter öfter um das Kind kümmert. Das sind nun mal die traurigen Fakten – aber man könnte etwas dagegen tun! Denn um dem Arbeitgeber gar nicht erst diese Präferenz zu geben, könnte man es ganz einfach kompensieren, indem man zuallererst Männern genauso viel Zusatzurlaub für die Geburt eines Kindes gibt, wie den Frauen. Und beim Krankenhausbesuchen könnte man auch Anreize schaffen, dass Väter sich öfter auch mal freinehmen (sei es durch zusätzlich Urlaubstage oder zwangsweise Aufteilung auf beide).

 

Ganz abgesehen davon wirken unsere zentraleuropäischen Gesetze (luxemburgische wie deutsche und französische) zum Elternurlaub komplett verstaubt und überholt. Denn der kurze Vaterschaftsurlaub ist fast schon lächerlich und homosexuelle Paare kommen teilweise zu kurz (Adoption bekommt deutlich weniger Urlaub, obwohl hier gerade noch mehr intensive Elternzeit nötig wäre, um eine bessere Bindung zu seinem Kind aufzubauen). Hier besteht viel Nachholbedarf.

 

 

Sollte man nun denn Geschlechterquoten einführen, um Machtpositionen oder bestimmte Berufe geschlechtermäßig ausgleichender zu gestalten? Keine Sorge, ich kenne die Argumente dagegen (auch von Frauen, die sich Machtpositionen lieber selbst erarbeiten, als sozusagen „lediglich die Quotenfrau zu sein“). Ich persönlich denke aber trotzdem: Ja, wir brauchen aktuell Frauenquoten – aber nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz. Denn obwohl es fast genauso viele Männer wie Frauen in der Bevölkerung (bei uns in Zentraleuropa) gibt, halte ich z.B. eine Frauenquote von 50 % für Berufe oder Positionen nicht für sonderlich sinnvoll. Denn es MÜSSEN ja nicht 50 % sein. Wenn man beispielsweise eine Quote von 30 % Frauen im Parlament einfordert, so heißt es ja nicht, dass maximal ein Drittel der Abgeordneten Frauen sein DÜRFEN. Es wäre aber garantiert, dass es WENIGSTENS ein Drittel wäre. Ich denke, damit könnte man Frauen einen sehr guten und dringenden Boost geben, während sie weiterhin „aus eigener Kraft“ weitere Positionen erstreben könnten. Ich halte übrigens einige Männerquoten auch für sinnvoll. So ist es mir ein Dorn im Auge, dass in der frühkindlichen Erziehung fast nur Frauen arbeiten. Von der KITA über den Kindergarten hin zur Grundschule – gefühlt haben es Kinder bis zu ihrem elften Lebensjahr fast zu 90% nur mit Frauen zu tun. Ich denke, dass es sehr sinnvoll wäre, auch hier ein ausgeglicheneres Bild zu schaffen und mehr Männer in diese Bereiche zu integrieren.

 

 

Nicht zuletzt sollte man eine weitere biologische Komponente im Hinterkopf halten, weswegen es selbst aktuell, allem Sexismus zu trotz, weniger Frauen in hohen Machtpositionen gibt. Männer sind risikobereiter. Das hat ganz einfach mit der Minimaldefinition von männlich und weiblich zu tun. In der Biologie gilt ganz generell und grob vereinfacht der Part der Fortpflanzung als männlich, welcher den kleineren Teil beisteuert. Der kleinere Samen im Gegensatz zur größeren Eizelle. Frauen produzieren eben lediglich einmal im Monat eine einzige Eizelle, die (im Regelfall) zu einem einzigen Kind heranwachsen kann und sie sind nur wenige Tage im Monat überhaupt fruchtbar. Dadurch haben sie von Natur aus bei einem Geschlechtsakt deutlich mehr zu verlieren. Ihr Einsatz ist deutlich größer als der eines Mannes: Aus den Abermillionen Spermien bei einem einzigen Samenerguss können Abermillionen Kinder erzeugt werden. Dabei kann ein Mann theoretisch mehrere Male täglich mehrere Frauen gleichzeitig befruchten: Der Geschlechtsakt und sein „Einsatz“ sind deutlich geringer. Er kann also von Natur aus mehr Risiken eingehen. Männer, die risikobereiter sind, können dadurch auch mehr und größere Machtpositionen und höhere Stellungen erreichen als Frauen. Interessanterweise können sie dadurch aber auch mehr verlieren, doch schweigen die Statistiken dazu, da man schließlich die „Verlierer“ schlechter nachweisen kann und sie auch weniger interessant sind…

 

Gebt Acht vor der Indoktrination unserer Kinder!

 

Ein besonderes Thema in Bezug auf Geschlechter(rollen) ist immer die Erziehung. Oftmals wird von Soziologen oder Pädagogen in Studien fingerzeigend darauf aufmerksam gemacht, dass bereits unsere kleinsten aller Kleinen doch schon mit den Klischees oder Vorurteilen unserer altmodischen Geschlechterrollen beladen sind. Ganz abgesehen davon, dass das noch nicht einmal stimmt[1], ist es aber auch klar, dass Kinder bestimmte soziale Strukturen kennen und sie auch einfacher aufteilen. Wie zeichnet ein Kind einen Mann, bekommt es diese Aufgabe? Akkurat oder prototypisch? Nein, nicht jeder Mann ist groß, muskulös, trägt Bart und trinkt Bier – aber auch nicht jeder Hund hat zwei Schlappohren und einen langen dünnen Schwanz. Wie viele Kinder zeichnen einen Pudel, wenn man ihnen sagt, sie sollen einen Hund zeichnen? Simplifizierung gehört zum Kindesalltag dazu und ist erst einmal nichts Schlechtes – solange man der Kinder klar beibringt, es gäbe noch andere Dinge.

 

 

Es ist auch heute bei den meisten nicht mehr so, dass nur die Frau den Haushalt macht und der Mann arbeitet. KITAs gibt es doch nur, weil beide Elternteile heutzutage arbeiten (müssen, um zu überleben). Sie sehen es also bereits in ihrem Alltag, dass sowohl Frauen als auch Männer arbeiten und notgedrungen den Haushalt machen.

 

 

Bleibt die Frage nach dem Spielzeug und den Klamotten. Behandeln wir das Spielzeug zuerst. Hier bin ich ganz klar der Meinung: Spielzeug sollte schnuppe sein und man sollte jedem Kind stets verschiedenes vorschlagen. Töchter sollten auch Autos und Lego Technic geschenkt bekommen, Söhne sollen auch mit Barbies und Einkaufswägen spielen dürfen. Hier sollte vielleicht auch die Politik etwas stärker eingreifen. Eltern wissen was ich meine: Wie stark geschlechterorientiert Kinderprodukte vermarktet werden, ist ein Graus. Mädchenspielzeug ist IMMER rosa, Jungen bekommen STETS blau. Mädels bekommen T-Shirts mit Prinzessinnen, Hasen und Blumen, Jungen bekommen Raketen, Autos und Dinosaurier. Das ist kein Witz! Geht einmal in ein x-beliebiges Kleidungsgeschäft und schaut euch bei den Kinderwaren um! Meine Tochter fährt voll auf Dinos ab. Meint ihr, ich hätte eine Jacke für sie in der Mädchen-Abteilung bekommen? Fehlanzeige. Farbliche Diversität? Von wegen. Abwechslung bei den Motiven? Ich lach mich schlapp. Hier muss dringend etwas unternommen werden. Es ist doch auch unverschämt, dass es mittlerweile keine normalen Kinder Überraschungseier mehr gibt, sondern dass man gezwungen wird, entweder ein rosa oder ein blaues Ü-Ei zu kaufen. Früher war man geschlechtsneutral: Jetzt wird man in eine Schublade gezwungen! Gleiches gilt eben auch für das Spielzeug – die Regale der Supermärkte zeugen davon, dass hier alles ganz prototypisch und altmodisch vonstatten geht.

 

 

Gut, beim Spielzeug ist sich glaube ich fast jeder einig: Kinder sind Kinder und sollten trotz aggressiver Werbemacher alles spielen können – unabhängig vom Geschlecht. Aber bei den Klamotten? Ich habe jetzt eigentlich nur von den Motiven gesprochen, aber es gibt zwei Dinge, da sind Frauen- und Männerklamotten einfach unterschiedlich – und das rein kulturell bedingt. Zum einen wären das die Farben. Klar, rosa und blau, wie ich bereits gesagt habe – allerdings ist es im Erwachsenenalter etwas abgeschwächter. Es gibt auch rosa Hosen und Hemden für Männer, dunkelblaue Blusen oder Hosen für Frauen. Das geht und sieht in richtiger Montur auch gut aus. Allerdings gibt es dies bei Kindern weniger. Es ist schwer, für Mädchen auch mal gelbe, grüne oder orange Kleidung zu bekommen und es ist noch deutlich schwerer ist, genau diese Farben für Jungs zu bekommen. Die klassischen Farben dominieren in der Kinderabteilung, da gibt es nur seltene Ausnahmen. Ich verstehe natürlich, woher das Bedürfnis kommt – sind die Kinder erst geboren, so erkennt man deren Geschlecht noch nicht. Noch bis zum Alter von 2-3 Jahren (oder länger – abhängig von vielen Faktoren) kann man nur schwer zwischen Mädchen und Jungen unterscheiden. Die Farbe der Klamotten ist also ein äußerliches Erkennungsmerkmal für externe Beobachter, um zu zeigen: Hey, mein Baby ist ein Junge/Mädchen! Und bitte… die Freude darf man den Eltern doch auch mal lassen. Abgesehen davon gibt es aber auch den kulturellen Unterschied, den wir bis ins Erwachsenenalter beibehalten: Frisur und Art der Kleidung. Kleider und Röcke: Nur was für Mädchen. Anzüge mit Krawatte: Prinzipiell nur Jungs. Kurze Haare? Männer. Lange Haare? Frauen. Natürlich vereinfache ich die Dinge und natürlich ist mir klar, dass es genügend Ausnahmen dieser Regel gibt – aber generell ist es eben immer noch so. Die meisten Männer und Jungs tragen kurze Haare, die meisten Frauen und Mädchen lange. Dabei finde ich es noch nicht einmal schlimm! Das ist ja das Ding: Wir leben alle in einem sozialen Umfeld und Kinder müssen vor dieser harten Umgebung geschützt werden. Wenn der Sohnemann rosa Kleider anziehen will: Warum Nein sagen? Naja, ganz klar: Damit er nicht ausgelacht wird. Natürlich kann man versuchen, einem solchem Wunsch auch entgegenzukommen und man sollte auch möglichst erklären, WARUM das etwas schwieriger ist. Obwohl ich selbst bei meinen Kindern kein Problem mit einem solchem „aus der Rolle fallen“ hätte und auch eine Kurzhaarfrisur meiner Tochter nicht als schlimm ansehen würde, da ich in dem Fall auch den Kontext erklären und sie auf mögliche Reaktionen anderer vorbereiten würde, kann ich dennoch Eltern verstehen, die diesen Willen nicht haben. Es ist schlichtweg noch unsere Kultur, und den herbeigesehnten Umschwung der Kultur an den Kindern „auszulassen“ halte ich für schwierig. Mein Vorschlag an alle Besserwisser, die andern in die Erziehung reinreden: Na, Männer, dann tragt doch selbst den Rock zur Arbeit – dann könnt ihr auch den Müttern der Söhne sagen, sie sollten ihren Söhnen auch Röcke anziehen.

 



[1] Eine Dokumentation auf ZDFinfo mit dem ominös-provozierendem Titel „Wie sexistisch ist Deutschland? Frauenbild, Klischees und #metoo“ (von G. Stoukalov und T. Minjoli) zeigte eine Frau, die eine Geschichte aus der Ich-Perspektive vorlas (bereits hier suboptimal, dass die Kinder das Geschlecht des Vorlesers kannten), bei der es um vermeintlich klassisch männliche Dinge ging, die mit Muskelkraft und Risikobereitschaft zu tun hatten (ein Gerüst hochklettern, in einen gruseligen, dunklen Tunnel steigen, sich trauen eine Rutsche runterzurutschen, usw.). Erwartungshaltung: Die meisten Kinder denken, der Ich-Erzähler sei ein Junge. Resultat: 50-50. Und die Filmemacher wollten es nicht so darstellen, obwohl sie das Ergebnis eingestehen mussten – bei den Kindern war es nun einmal ausgeglichen ob Mann oder Frau.

 

Let boys be boys… aber was heißt das denn jetzt eigentlich?! Alles subjektiv relativistisch? Ein Fazit (ein Versuch).

 

Tja, und was bleibt uns aus alledem? Ich würde meinen, man dürfe das biologische Geschlecht nicht außer Acht lassen, gleichzeitig aber auch über die kulturelle Bedeutung der Geschlechterrollen Bescheid wissen. Neuesten Studien zufolge ist der größere Muskelanteil und die größere Körpergröße der Männer wohl auch tendenziell eher kulturell bedingt (weil Frauen weniger anstrengendere Arbeiten verrichten, usw.). Dennoch haben die risikoreicheren Männer wohl oder übel die Geschichte dominiert, dies geschah und geschieht aber bis heute in einer diskriminierenden Art und Weise gegenüber Frauen, die deutlich mehr Aufmerksamkeit und Präsenz benötigen. Manchmal frage ich mich, wie viele gute Wissenschaftlerinnen es hätte geben können, wären sie nicht von vorneherein von den Männern in Grund und Boden niedergemacht und benachteiligt worden. Wie viel weiter wären wir technologisch, soziologisch, pädagogisch und ökonomisch, wenn Frauen, die Hälfte der Bevölkerung, genauso wie die Männer immer ein Mitspracherecht gehabt hätten? (Wie viel weiter wären wir, wenn ALLEN diskriminierten Gruppen stets immer die gleichen Rechte zugekommen wären?)

 

 

Doch was mir bleibt und worauf ich trotzdem keine Antwort fand, ist die Frage: Was ist denn nun typisch weiblich/männlich? Denn diese Begriffe haben irgendwie ihre Bedeutung verloren. Sicherlich leben in uns unterbewusst und in den Medien noch weiterhin bewusst alte Geschlechterrollen und -klischees. Die Medienlandschaft ist voll davon. Doch nichts ist groß argumentativ haltbar. Ist es also verkehrt, solche Begriffe überhaupt noch zu benutzen? Haben Sätze wie „Ach, das ist mal wieder typisch Mann“, oder „Die verhalten sich eben wie Mädchen.“ überhaupt noch eine Daseinsberechtigung?

 

 

Ja, ich denke schon. Denn unser Geschlecht gehört zu unserer Identität und unser Geschlecht teilen wir mit sehr vielen anderen Menschen. Genauso wie wir unsere Nationalität, unseren Glauben, unsere Hobbys mit anderen teilen und dennoch stets eine andere Auffassung davon haben, gibt es auch bei den Geschlechtern Schnittmengen. Könnten wir nicht mehr sagen, was unter Umständen als männlich zu bezeichnen ist, entfällt das Geschlecht komplett, was wiederum unsinnig ist – schließlich benötigen wir (aktuell noch) beide zur Fortpflanzung. Zu sagen: Bart ist männlich, kein Bart auch. Stark sein ist männlich, sensibel sein auch. Zu sagen: Blau ist männlich, rosa auch. Fußball ist männlich, Synchronschwimmen auch. Ist das nicht unsinnig? Wenn etwas alles, sich selbst und sein Gegenpart ist, ist es dann nicht nichts? Dann kann es ja gar nicht mehr definiert werden? Das scheint naiver Relativismus zu sein.

 

 

Wie arm wäre unsere Gesellschaft auch komplett ohne Geschlechter? Wie traurig monoton, oder wie unfassbar (im Sinne von – man kann es nicht fassen, nicht greifen) abwechslungsreich und somit unerträglich eine entweder einseitige oder vielseitige Gesellschaft ohne Geschlechter? Wenn alle besonders sind, ist niemand mehr besonders – hierin liegt die Krux.

 

 

Ich halte es besonders für heranwachsende Kinder für wichtig, dass sie sich mit ihrem Geschlecht auseinandersetzen. Dass dabei Klischees auseinanderbrechen, andere bleiben, Vorurteile als solche erkannt, gleichzeitig aber auch geschaffen werden, halte ich für hinnehmbar und notwendig.

 

 

Tja… und was ist nun männlich? Was ist weiblich? Das kann ich nur schwer beantworten. Vielleicht ist mein Fazit dazu, dass es okay ist, bestimmte Vorurteile zu den Geschlechtern zu hegen – insofern man bereit ist, über diese hinauszugehen, zu erkennen, dass es genügend Ausnahmen der Regel gibt. Eine engstirnige Sicht ist tunlichst zu vermeiden, doch gilt das wohl für alle Welt- und Wertvorstellungen. Was jene aber nicht generell falsifiziert…

 

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